Eine Hommage an Hannover

Wer zu faul ist sich das Ganze durchzulesen, darf sich alles von mir vorlesen lassen – hört rein 😉

Wie man schon lesen konnte bin ich ein (Lokal-)Patriot.

Hannover – mehr als nur DIE bekannte „Messestadt“. JA – wir haben das größte Messegelände der Welt, den größten Stadtwald Europas, den größten Schützenausmarsch und das größte Schützenfest der Welt. Aus Hannover stammen einige Politiker und Schauspieler die es weit geschafft haben. Ja, ist ja alles schön und gut. Aber Hannover ist alles viel mehr als das. Für MICH zumindest. Für mich ist Hannover Heimat. Ein Wohlfühlort. Nein, DER Wohlfühlort. Bin von Geburt an Hannoveraner, Niedersachse. Und ich bin stolz drauf. Hier begann meine schulische und berufliche Karriere und hier möchte ich auch dann später gerne sterben und somit ist für mich ganz klar -> Hannover ist die einzige Heimat die es je bleiben wird ♥

Aber nun zu meiner eigentlichen Hommage an Hannover.

Ganz locker und entspannt an der Leine

Zehn Schritte aus dem Hauptbahnhof heraus, und Ernst, der Grüß-August, schaut vom hohen Ross herab, seit mehr als 150 Jahren schon.

Bei ihm, dem einstigen König von Hannover und Onkel der britischen Queen Victoria, treffen wir eingefleischte Hannoveraner uns auch heute noch am liebsten, „unterm Schwanz“, wie wir ja sagen. Nur ein paar Hundert Meter nach Süden, und der nächste populäre Treffpunkt ist erreicht: der Kröpcke. Ein Platz, eine Uhr, ein Café, allesamt benannt nach einem Ober, der das Kaffeehaus Robby, in dem er vorher bedient hatte, im Jahre 1885 pachtete und ihm bald darauf seinen Namen gab.

Zwischen König und Kellner: Hannover, wie es tickt und rotiert, an manchen Stellen grau und bieder, daneben aber so bunt und schräg, dass sich die Augen reibt, wer lange nicht an der Leine war. Niedersachsens Hauptstadt, immer noch unterschätzt, auch noch manchem Vorurteil ausgesetzt, scheint sich einerseits treu geblieben und hat sich doch neu erfunden nach der Jahrtausendwende, als die Expo das Halbmillionendorf wachküsste.

Der Stadtwald Eilenriede ist doppelt so groß wie New Yorks Central Park!

Die Stadt, nicht einmal ein Drittel so groß wie Hamburg, wirkt wie ein kompaktes Universum. Das ist ein Vorteil für Besucher: Vom Kröpcke zur Marktkirche, dem südlichsten Juwel norddeutscher Backsteingotik, vom Hohen Ufer, einer Keimzelle der Stadt am Fluss, zum Goldenen Winkel, einer Altstadt-Idylle im Kreuzkirchen-Viertel, von der Markthalle, noch so ein Lieblingstreff der Hannoveraner, zum Leineschloss, in dem seit 1962 der Landtag residiert, ist es jeweils nur ein gemütlicher Spaziergang.

Auch die Attraktionen am Rande der City sind mit der alten quietschgrünen Stadtbahn oder der mittlerweilen Silberpfeilen oder der U-Bahn schnell erreicht. Der Zoo, der Maschsee, die Herrenhäuser Gärten und die ganz unterschiedlichen Szeneviertel List und Linden. Und die Eilenriede, der Stadtwald, den wir Hannoveraner lieben wie die Hamburger ihren Hafen und die Eilenriede, die mit 646 Hektar fast doppelt so groß ist wie der Central Park in New York.

Und die ist mancherorts so spektakulär wie der Weg auf die Aussichts-Plattform des Neuen Rathauses. Das Gebäude, wilhelminische Epoche, eher Schloss als Rathaus, imponiert in mehrfacher Hinsicht. Der Lift gilt den Hannoveranern als kleines Weltwunder: Erst schnurrt er wie jeder Aufzug senkrecht nach oben, dann folgt er schaukelnd der Neigung der Kuppel, in einem Winkel von 17 Grad.

Aus fast 100 Metern erschließt sich dann die Stadt: viele Bausünden aus den 70ern, durchsetzt mit herausragenden Preziosen. Zum Beispiel das skurril-verrückte Gebäude der Nordbank, das Touristen oft als „LKA-Arbeitsplatz“ von TV-Kommissarin Lindholm alias Maria Furtwängler erkennen, auch das Museum August Kestner, ein Würfel mit einem Gitter aus 5000 Fenstern, oder das futuristisch gestaltete Sprengel-Museum, ein Wallfahrtsort für Liebhaber moderner Kunst. Die Pilgerstätten für Shopper und Flaneure verteilen sich auf Deutschlands größte Fußgängerzone und ihre Nebenstraßen, alle in Bahnhofsnähe: Jedermanns-Geschäfte an der Schiller- und der Bahnhofstraße, Malls in den Galerien Ernst-August und Luise, Nobelboutiquen an der Georgstraße, deren Name, wie so viele in der Welfen-Metropole, an die gemeinsame königliche Vergangenheit mit England erinnert. „Royal Hanover“ – auch nicht schlecht^^

Im Fachwerkviertel zwischen den beiden Gotteshäusern lässt sich biedermeiersche Gemütlichkeit genießen, im urgemütlichen Teestübchen bei Darjeeling oder bei türkischer Hausmannskost in der Kreuzklappe, dem ältesten Gasthaus der Stadt. Auch ein paar Hundert Meter östlich stößt kuschelige Romantik auf exotisches Abenteuer: der Hannover-Zoo, Deutschlands viel gelobter Vorzeige-Tierpark, bietet eine einzigartige Show mit ökologisch korrekter Kulisse.

Safari mit dem Flussdampfer, einmal um die Ecke geschippert, und da grasen sie schon, die Zebras und Giraffen. Nächste Kurve: Flamingos und Marabus zwischen Lehmhütten. Erlebnis-Zoo nennt sich das Konzept. Und es funktioniert, in der Felslandschaft der Berberlöwen so gut wie bei den Bisons und Goldgräbern am Yukon, bei den Elefanten im Reich der Maharadschas und im ebenso märchenhaften Kinderland Mullewapp. Sogar das Ambiente der Toiletten ist dem jeweiligen Mottopark angepasst.

Aus der Steppe in den Großen Garten von Herrenhausen, ins grüne Barockparadies der schönen Sophie. Der Traum, den sich die Kurfürstin im 17. Jahrhundert mit elegantem Labyrinth, Kaskaden und Grotte erfüllte, macht die Besucher bis heute glücklich. Der Chefgärtner und Alltagsphilosoph von Haus aus, betrachtet „seine“ grüne Pracht wie das Leben: Was eben noch geblüht hat, ist längst von anderen Farben abgelöst, etwa der gelb leuchtende Ahorn des Frühlings von der sommerlichen Vielfalt der Rosen.

Noch bunter ist die Szene im Stadtteil Linden, einem ehemaligen Arbeiterviertel, heute Zentrum gemäßigt- alternativer Lebenskunst: ein bisschen Ottensen, ein Hauch von Schanze. Man geht nicht einfach so die Hauptachse Limmerstraße entlang, vielmehr „limmert“ man sich durchs Viertel, startet zum Beispiel am Küchengarten mit einem Astra(!) im kultigen 11 A oder, einen Platz weiter, mit einem besseren Tropfen bei Frau Weiß in der Wein- und Lachbar, schaut in die netten Läden an der Stefanusstraße und verliert sich irgendwann im Bermudadreieck zwischen den autonomen Kulturzentren Glocksee und Faust.

Fast alles an Hannover hat menschliches Maß: die Szeneviertel wie die restaurierte Altstadt-Idylle oder die Attraktionen in den Prachtgärten, im Zoo und im großen Grüngürtel. Urbanität und lebendige Stadtteilkultur prägen das Lebensgefühl dieser Großstadt jedoch am sympathischsten im gutbürgerlichen Viertel List.

Das Quartier, mitsamt der angrenzenden Oststadt, atmet viel Flair und zeigt wenig Schickimicki: Gründerzeit- und Jugendstilhäuser zwischen Weißekreuz-, Wedekind- und Lister Platz, Bio- und Flohmarkt auf der fast zwei Kilometer langen Lister (Fußgänger-) Meile, der Lebensader dieser netten Nachbarschaft. Hier ein paar Experimente, zum Beispiel bei den wilden Köchen im Restaurant Boca, dort alteingesessene Tradition, von Enzos Rumpelkammer, einer Gasthaus-Institution, die auch Udo Lindenberg seit Jahren schätzt, bis hin zu Plumecke, der „Mutter aller Kneipen“, wo sich früher unter anderem Gerhard Schröder und seine Freunde gern mal eine Currywurst gegönnt haben.

Wer die Stadt allerdings zu Zeiten der großen Messen aufsucht, ist selbst schuld. Eng und teuer wird es dann fast überall. Auch für das Schützenfest, das sich mit dem Etikett „weltgrößtes“ schmückt, muss die Reise nicht unbedingt angetreten werden; die „Lüttje Lage“ – Bier und Korn wird aus zwei Gläsern gleichzeitig gekippt – schenken die Wirte in List, Linden und anderswo sowieso das ganze Jahr über aus. Alternativ und von mir gerne getrunken: „Fanta Lage“. Fanta und Korn. Ebenfalls aus zwei Gläsern gesüppelt.

Hannover mag provinziell nennen, wer mag. Spätestens auf den zweiten Blick erschließt sich der Charme dieser liebenswerten Metropole, die sich längst gehäutet hat. Die Zeiten, als am Leibnizufer Skulpturen von Niki de Saint Phalle einen Kulturkampf ausgelöst haben, liegen 40 Jahre zurück. Der Zwergenaufstand ging übrigens aus wie seinerzeit bei Ernst August, den seine Untertanen auch nicht mochten – und der doch immer noch fest im Sattel sitzt, unübersehbar wie Nikis dralle Nanas. Die Künstlerin hat es im Expojahr 2000 sogar zur Ehrenbürgerin gebracht.

Vielleicht habe ich ja Recht damit, wenn ich sage, dass „mein“ Hannover eine irrwitzige Stadt ist, jedenfalls manchmal. Und gerade mit der Region Hannover kommen wir schnell auf ca. 1,2 Mio Einwohner.

Schöne Aussicht auf den Maschsee, aufs Stadion und den Schützenplatz
(von mir geknipst ausm Rettungshubschrauber)